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Sperber Accipiter nisus


nisus wird im Buch „Die Namen der Vögel Europas“ mit dem lateinischen Wort niti erklärt, was bei Vögeln „in der Luft schweben“ bedeutet. - Der Sperber kreist zwar auch gelegentlich in der Luft, aber ein solches Flugverhalten ist für diesen Überraschungsjäger weit weniger typisch als für viele andere Greifvögel.

In der Literatur ist zu lesen, dass der König Nisos entsprechend einer antiken Sage in einen Sperber verwandelt wurde. Frage: ist es nicht wahrscheinlicher, dass der Name auf diese Antike Sage Bezug nimmt? 


Zunächst einmal erscheint die Herleitung des Namens entsprechend einer antiken Sage durchaus plausibel, so wie etliche andere Vogelnamen, insbesondere von Greifvögeln, auf diese Art entstanden sind. – Aber was ergibt eine genauere Überprüfung?


Der Name nisus wird erst seit Albertus Magnus (ca. 1200- 1280) für den Sperber verwendet. James A. Jobling begnügt sich deshalb in seinem Buch über die Bedeutung der wissenschaftlichen Vogelnamen mit der Bemerkung, das Wort sei mittelalterliches Latein. - Linné bezieht sich bei seiner Namensgebung auf die Werke von Gesner (1555) und Aldrovandi (1599), die die Bezeichnung von Albertus tradiert hatten. – Aber warum verwendete Albertus Magnus dieses Wort?

Die antike Sage vom König von Megara kann – jedenfalls so wie sie von Ovid beschrieben ist – nicht der Grund gewesen sein, denn bei Ovid wird der König Nisus nicht in einen Sperber sondern in einen Seeadler (Haliaeetus) verwandelt. (Der römische Dichter Ovid beschrieb in seinem Werk „Metamorphosen“ die Verwandlung von Sagengestalten in Tiere).


Allerdings findet sich im Lexikon von Georges der Hinweis, dass sich die vom römischen Dichter Vergil dargestellte Version dieser Sage auf einen Sperber beziehe. Diese Aussage hält aber einer Überprüfung nicht stand, denn im Text von Vergil ist davon nichts zu finden. In seinem Werk Georgica, wird zwar die Verwandlung des Königs Nisus erwähnt, es ist aber nur davon die Rede, dass dieser in den Lüften fliegt. Die deutsche Übersetzung nennt ihn auch hier einen Meeradler, allerdings sagt der Wortlaut des lateinischen Textes gar nichts darüber, um was für einen Vogel es sich handelt.


Die Lösung des Problems findet sich bei Albertus Magnus, auf den der Name nisus als Bezeichnung für den Sperber zurückgeht. Er begründet den Namen ausdrücklich damit, dass der Sperber „in der Luft schwebend“, d. h. im Flug seine Beute greift.

Mit dem „in der Luft schweben“ ist also nicht das Kreisen oder Gleiten dieses Vogels gemeint ist, sondern die Tatsache, dass er die Beute im Flug fängt.


Was die Aussage im Lexikon von Georges betrifft, dürfte es sich wohl um eine „Rückwärtsprojektion“ handeln: Da nisus seit dem Mittelalter als Name des Sperbers geläufig ist, wurde vermutlich unterstellt, dass es sich in der antiken Sage um diese Vogelart gehandelt habe.


Literaturangaben:


Albertus Magnus, De animalibus libri XXVI, hgg. Von Hermann Stadler, Bd. 2, Münster 1920, S. 1504


Georges, Karl Ernst, Ausführliches Latein-Deutsches Handwörterbuch, 11. Aufl., Basel, 1962, Bd. 2, Spalte 1165.


Jobling, James A., A dictionary of scientific bird names, Oxford, 1991


Ovid (Publius Ovidius Naso), Metamorphosen, Latein-deutsch, deutsch von Erich Rösch, Zürich, 1996, S. 276 f


Vergil, Landleben, hgg. Von Johannes u. Maria Götte, Lateinisch u. deutsch, 5. bearb. Aufl. München, 1987, Georgica, Teil I, S. 106 f, Zeilen 404 ff.


 

Foto: Josef Limberger

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